Hilfslieferungen des Palästinenserhilfswerks UNRWA
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Nahost-Krieg ++ Israel kritisiert deutsche UNRWA-Kooperation ++

Stand: 24.04.2024 23:30 Uhr

Israel hat sich enttäuscht über die Ankündigung der Bundesregierung gezeigt, wieder mit dem UN-Palästinenserhilfswerk zusammenzuarbeiten. US-Präsident Biden fordert Israel auf, Hilfen in Gaza rasch zu verteilen. Alle Entwicklungen vom Mittwoch zum Nachlesen.

24.04.2024 • 23:30 Uhr

Ende des Liveblogs

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Ein von der Hamas ausgestrahltes Video einer israelisch-amerikanischen Geisel hat in mehreren Städten Israels Proteste gegen die Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanyahu und das Militär ausgelöst. In Jerusalem marschierten Hunderte Personen vor die Residenz des Premiers, entzündeten ein Lagerfeuer und forderten die Freilassung von Hersh Goldberg-Polin und der übrigen Geiseln.

Goldberg-Polin hatte in dem gut zweiminütigen Video schwere Vorwürfe gegen die Regierung und das Militär gerichtet. "Sie sollten sich schämen, dass Sie mich und Tausende von Bürgern an jenem Tag im Stich gelassen haben." Sie sollten sich schämen, dass seit 200 Tagen alle Versuche, sie zu retten, gescheitert seien, sagte der 24-Jährige.

Demonstranten entzünden ein Feuer vor der Residenz von Premierminister Netanyahu

US-Präsident Joe Biden hat Israel dazu aufgefordert, zusätzliche US-Hilfe für den Gazastreifen umgehend an die dortige Bevölkerung zu verteilen. "Wir werden diese Hilfe sofort sichern und aufstocken", sagte Biden nach der Unterzeichnung eines zuvor vom Kongress verabschiedeten Hilfspakets für Israel und die Ukraine, das auch eine Milliarde US-Dollar an humanitärer Hilfe für den Gazastreifen umfasst. Die zusätzliche US-Hilfe enthalte Lebensmittel, Medikamente und Trinkwasser, sagte Biden.

Israel müsse "dafür sorgen, dass diese Hilfe die Palästinenser im Gazastreifen ohne Verzögerung erreicht", sagte Biden weiter. Mit dem Gesetzentwurf werde die humanitäre Hilfe für die "schwer leidenden, unschuldigen Menschen im Gazastreifen, erheblich ausgeweitet." Diese litten "unter den Folgen des Kriegs, den die Hamas begonnen hat", die USA arbeiteten seit Monaten intensiv daran, so viel Hilfe wie möglich in das Palästinensergebiet zu bringen.

Israel hat sich enttäuscht über die Ankündigung der Bundesregierung gezeigt, ihre Zusammenarbeit mit dem UN-Palästinenserhilfswerk (UNRWA) im Gazastreifen wieder aufzunehmen. "Die Entscheidung Deutschlands, die Zusammenarbeit mit der UNRWA in Gaza zu erneuern, ist bedauerlich", schrieb ein Sprecher des israelischen Außenministeriums auf der Plattform X (vormals Twitter).

Israel habe mit Deutschland und anderen Geberländern detaillierte Informationen über Hunderte UNRWA-Mitarbeiter geteilt, die auch Hamas-Kämpfer seien. Gleiches gelte für Hunderte weitere Beschäftigte des Hilfswerks, die zugleich Mitglieder der Hamas beziehungsweise des Palästinensischen Islamischen Dschihad (PIJ) seien.

Die islamistische Terrormiliz Hamas hat ein Video veröffentlicht, das Hersh Goldberg-Polin, einen israelischen Amerikaner, der während des Angriffs auf Israel am 7. Oktober gefangen genommen und als Geisel in den Gazastreifen gebracht wurde, lebend zeigt. Das kurze Video ist nicht datiert. Dem 23-Jährigen fehlt ein Unterarm, der ihm bei dem Terrorangriff der Hamas im Oktober weggesprengt wurde; ansonsten ist er offenbar gesund.

Seine Mutter, Rachel Goldberg-Polin, hat sich aktiv für die Freilassung ihres Sohnes eingesetzt. Er wurde auf dem Nova-Musikfestival entführt, das am frühen Morgen des 7. Oktober von bewaffneten Hamas-Terroristen angegriffen wurde. Er ist eine von 133 israelischen Geiseln, die sich noch immer in Gefangenschaft befinden, nachdem im vergangenen Jahr etwa 100 freigelassen wurden.

US-Präsident Joe Biden hat ein Gesetzespaket mit milliardenschweren Hilfen für die Ukraine, Israel und Taiwan unterzeichnet. Das Gesamtpaket umfasst 95 Milliarden US-Dollar und war vom Senat am Dienstagabend gebilligt worden.

Neben den 61 Milliarden US-Dollar für die Ukraine sind Kriegshilfen für Israel und humanitäre Unterstützung für die notleidende Bevölkerung im Gazastreifen im Umfang von 26 Milliarden Dollar vorgesehen, außerdem acht Milliarden Dollar für Taiwan und den indopazifischen Raum, um auf die Bedrohung durch China zu reagieren.

Biden betonte, Israel müsse sicherstellen, dass die humanitäre Hilfe für die Palästinenser im Gazastreifen "ohne Verzögerung" ankomme.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat dem Westen bei einem Besuch von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier vorgeworfen, die Augen vor dem Leid der Zivilbevölkerung im Gazastreifen zu verschließen. Gaza sei dem Erdboden gleichgemacht worden - "unsere deutschen Freunde müssen diese tragische Situation sehen", sagte Erdogan in Ankara.

Erdogan forderte zudem, Beschränkungen beim Rüstungsexport in die Türkei vollständig aufzuheben. Er äußerte sich außerdem besorgt über steigenden Rassismus in Deutschland. 

Deutschland und die Türkei haben im Nahost-Konflikt unterschiedliche Positionen. Die deutsche Seite ist irritiert von Erdogans Haltung zur Terrororganisation Hamas, die vom türkischen Präsidenten als Befreiungsorganisation bezeichnet wird. Erdogan unterhält enge Kontakte zur Hamas. Am Wochenende hatte er sich mit deren Auslandschef Ismail Hanija getroffen.

Das israelische Militär hat alle Vorbereitungen für einen Angriff auf Rafah abgeschlossen. Das teilte ein hochrangiger Regierungsmitarbeiter der Nachrichtenagentur Reuters mit. Die Offensive könne starten, sobald die Regierung in Jerusalem grünes Licht gebe.

Israel zufolge ist die Stadt im Süden des Gazastreifens die letzte verbliebene Hochburg der radikal-islamistischen Hamas. In die Stadt an der Grenze zu Ägypten haben sich Hunderttausende Palästinenser vor den Kämpfen geflüchtet. Westliche Staaten warnen vor einer Offensive gegen Rafah wegen unkalkulierbarer humanitärer Risiken.

Israel und die radikal-islamische Hisbollah haben sich nach Angaben aus Sicherheitskreisen zunehmende Gefechte im libanesischen Grenzgebiet geliefert. Die Hisbollah feuerte eigenen Angaben zufolge Dutzende Raketen auf den Norden Israels an der Grenze zum Libanon. Aus Sicherheitskreisen im Libanon hieß es, Israel habe im Gegenzug schwere Luftangriffe auf Ziele im Süden Libanons geflogen.

Konfliktparteien als Quelle

Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch Stellen der palästinensischen und der israelischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage zum Teil nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Im Zusammenhang mit einem Protest vor einer UN-Einrichtung in Kairo hat die ägyptische Polizei mehrere propalästinensische Aktivisten festgenommen. Der Anwalt Chaled Ali teilte mit, insgesamt seien mindestens 18 Aktivisten, überwiegend Frauen, in Gewahrsam genommen worden, als die Polizei am Dienstag den Protest vor dem Regionalbüro der UN-Frauenorganisation UN Women aufgelöst habe.

Nach Berichten über rund 200 Leichen in Massengräbern am Nasser-Krankenhaus im Süden des Gazastreifens hat die EU eine unabhängige Untersuchung gefordert. "Dies ist etwas, das uns zwingt, eine unabhängige Untersuchung aller Verdachtsmomente und aller Umstände zu fordern", sagte der Sprecher des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell, Peter Stano. Es sei der Eindruck entstanden, dass es zu "Verletzungen der internationalen Menschenrechte gekommen sein könnte". Zuvor hatten auch bereits die Vereinten Nationen eine internationale Untersuchung gefordert.

Am Montag hatte die von der Hamas kontrollierte Zivilschutzbehörde mitgeteilt, in den vergangenen drei Tagen rund 200 Leichen in Massengräbern in dem Krankenhaus entdeckt zu haben. Demnach wurden auf dem Klinikgelände insgesamt 283 Leichen gefunden. Mehrere Medien berichteten, die Terrororganisation Hamas behaupte, die israelische Armee habe Palästinenser im Nasser-Krankenhauses getötet und dort begraben. Die israelische Armee bestreitet die Vorwürfe. Nach ihren Worten seien die Leichen nicht von israelischen Soldaten, sondern von Palästinensern begraben worden.

Die israelische Luftwaffe hat mehrere Ziele in Grenzgebieten im Süden des Libanon angegriffen. Stunden zuvor hatte die libanesische Schiitenmiliz Hisbollah nach eigenen Angaben Dutzende Raketen auf das nordisraelische Dorf Schomera abgefeuert und dies als Vergeltung für israelische Angriffe vom Vortag bezeichnet, bei denen eine Frau und ein zehnjähriges Mädchen getötet sowie sechs weitere Menschen verletzt wurden. Al-Manar TV, der Fernsehsender der Hisbollah, meldete 14 Luftangriffe auf die Ausläufer der Grenzdörfer Aita al-Schaab und Ramia.

Ein israelischer Militärsprecher bestätigte Angriffe auf Hisbollah-Ziele im Südlibanon. Die Hisbollah teilte außerdem mit, sie habe zwei Raketen auf ein Gebäude im nordisraelischen Dorf Awiwim abgefeuert, in dem israelische Soldaten Position bezogen hätten.

Karte mit Israel, Libanon, Westjordanland und Gazastreifen

Eine junge Palästinenserin ist nach Angaben der israelischen Armee bei einer versuchten Messerattacke auf Soldaten getötet worden. Sie sei in der Nähe von Hebron im südlichen Westjordanland mit einem Messer bewaffnet auf die Soldaten zugerannt, hieß es in einer Mitteilung der Armee. Diese hätten das Feuer eröffnet und die Frau "ausgeschaltet". Unter den Soldaten habe es keine Verletzten gegeben. Das palästinensische Gesundheitsministerium in Ramallah teilte mit, es sei über den Tod einer 20-Jährigen durch Schüsse von Soldaten nördlich von Hebron informiert worden. 

Konfliktparteien als Quelle

Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch Stellen der palästinensischen und der israelischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage zum Teil nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Im Gazastreifen droht in nächster Zukunft eine Hungersnot, wenn nicht massiv mehr Nahrungsmittel verteilt werden - davor warnt der Direktor des Genfer Büros des Welternährungsprogramms (WFP), Gian Carlo Cirri. "Die Situation ist extrem besorgniserregend", sagte er bei der Vorstellung eines Berichts über die Hungerkrisen der Welt in Genf. "Wir kommen einer Hungersnot jeden Tag näher." Er erinnerte an bereits veröffentlichte Einschätzungen, dass ein Drittel der Kinder im Gazastreifen unter zwei Jahren akut unterernährt sind. 

"Es gibt hinreichende Anzeichen dafür, dass alle drei Schwellenwerte für eine Hungersnot - Ernährungsunsicherheit, Unterernährung und Sterblichkeit - in den nächsten sechs Wochen überschritten werden", sagte Cirri. Menschen äßen teils Tierfutter, um zu überleben. Eine Hungersnot könne nur abgewendet werden, wenn es sofort deutlich aufgestockte und anhaltende Nahrungsmittellieferungen gebe. 

Vor einem möglichen Einsatz in der Stadt Rafah im südlichen Gazastreifen hat die israelische Armee zwei weitere Reservebrigaden mobilisiert. Diese sollten "defensive und taktische Einsätze im Gazastreifen" übernehmen, teilte das Militär mit. Die Brigaden seien zuvor an Israels Grenze zum Libanon eingesetzt worden. In den vergangenen Wochen hätten sie aber für Operationen im Gazastreifen trainiert. 

In einer gemeinsamen Erklärung fordern Iran und Pakistan den Sicherheitsrat der Vereinten Nation dazu auf, Maßnahmen gegen Israel zu ergreifen. Die beiden Länder werfen Israel vor, Nachbarländer und ausländische diplomatische Einrichtungen illegal angegriffen zu haben. Veröffentlicht hatte die Erklärung das pakistanische Außenministerium. In den vergangenen Tagen war der iranische Präsident Ebrahim Raisi in Pakistan zu Besuch.

Die seit längerem erwartete israelische Offensive in Rafah im Süden des Gazastreifens steht israelischen Medienberichten zufolge kurz bevor. Derzeit liefen die Vorbereitungen, Zivilisten die in Rafah Schutz gesucht hatten, in Sicherheit zu bringen. Dies berichten diverse israelische Zeitungen, darunter das auflagenstarke Blatt "Israel Hayom".

Spekulationen über eine Offensive kursieren schon länger. Weder das Büro von Ministerpräsident Benjamin Netanyahu noch das israelische Militär wollten sich zunächst zu den Medienberichten äußern. International war Israel aufgefordert worden, aus Sorge um die vielen Flüchtlinge in Rafah auf eine Offensive zu verzichten.

Karte: Gazastreifen, schraffiert: von der israelischen Armee kontrollierte Gebiete

Graue Flächen: Bebaute Flächen im Gazastreifen, Schraffur: Israelische Armee

Die Bundesregierung will ihre Zusammenarbeit mit dem umstrittenen UN-Palästinenserhilfswerk (UNRWA) im Gazastreifen fortsetzen. Das teilten das Auswärtige Amt und das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung in einer gemeinsam veröffentlichten Stellungnahme mit.

Hintergrund seien die jüngsten Empfehlungen eines Berichts der von den Vereinten Nationen eingesetzten Gruppe unter Leitung der ehemaligen französischen Außenministerin Catherine Colonna. Die Empfehlungen des Berichts müssten nun unverzüglich umgesetzt werden. Der kurzfristige Finanzbedarf von UNRWA in Gaza sei derzeit durch vorhandene Gelder gedeckt, hieß es weiter.

24.04.2024 • 08:31 Uhr

Schulze startet Job-Initiative

Entwicklungsministerin Svenja Schulze hat bei einem Treffen mit dem neuen palästinensischen Ministerpräsidenten Mohammed Mustafa eine Beschäftigungsinitiative vereinbart, die für mehr Stabilität in der Region sorgen soll. "Die Arbeitslosigkeit im Westjordanland hat sich nahezu verdreifacht und liegt bei 40 Prozent", so Schulze.

Ziel sei es, zunächst im Westjordanland und im arabisch geprägten Ostteil Jerusalems binnen drei Jahren rund 25.000 neue Jobs zu schaffen und bestehende Arbeitsplätze zu erhalten. Zum Start investiere das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung in diesem Jahr 25 Millionen Euro. Weitere Mittel sollten im kommenden Jahr folgen. 

In ihrem vorgestellten Jahresbericht 2023/24 legt Amnesty International die Lage der Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit weltweit dar und kritisiert die Bundesregierung für ihren Umgang mit dem Krieg in Nahost. Die NGO wirft dem israelischen Militär vor, Kriegsverbrechen in Gaza zu begehen und kritisiert, dass die Bundesregierung dazu schweige. Die Generalsekretärin von Amnesty International in Deutschland, Julia Duchow, sagte, die deutsche Regierung trage damit zur Erosion der internationalen Ordnung bei.

Der für humanitäre Hilfe zuständige EU-Kommissar Janez Lenarcic hat angesichts der katastrophalen Lage der Menschen im Gazastreifen dazu aufgerufen, das umstrittene Palästinenserhilfswerk UNRWA zu unterstützen. "Ich rufe die Geberländer auf, das UNRWA zu unterstützen - die Lebensader für die palästinensischen Flüchtlinge", schrieb er auf der Plattform X (vormals Twitter). Er begrüßte den am Vortag veröffentlichten Untersuchungsbericht über das UNRWA, da dieser "die zahlreichen Systeme des Hilfswerks zur Einhaltung der Vorschriften sowie die Empfehlungen für deren weitere Verbesserung" hervorhebe. 

Der von den USA angekündigte Bau eines temporären Hafens zur Lieferung von Hilfsgütern in den umkämpften Gazastreifen wird nach Angaben des Pentagons bald beginnen. "Alle erforderlichen Schiffe befinden sich im Mittelmeerraum", sagte der Sprecher des US-Verteidigungsministeriums, Pat Ryder. "Wir sind in der Lage, sehr bald mit dem Bau zu beginnen."

Die US-Regierung hatte im März angekündigt, angesichts der humanitären Notlage in Gaza infolge der Kämpfe zwischen Israel und der islamistischen Terrororganisation Hamas einen temporären Hafen einrichten zu wollen, um Lebensmittel, Wasser und Medikamente in das Kriegsgebiet zu bringen. Die USA hatten angesichts der katastrophalen humanitären Lage im Gazastreifen kürzlich ihren Verbündeten Israel zur raschen Ausweitung der Hilfslieferungen für die Zivilbevölkerung aufgefordert.

Vor einer geplanten Militäroffensive in Rafah werden in der Nähe der Nachbarstadt Chan Yunis Zelte aufgebaut. Die israelische Armee hat zwei ranghohe Mitglieder der libanesischen Hisbollah-Miliz getötet. Die Entwicklungen vom Dienstag zum Nachlesen.